Sehr geehrter Herr Kramer, sehr geehrter Herr Brummer,
nach der Veranstaltung vom 06.03.13 jetzt noch ein paar Punkte, solange sie noch frisch im Gedächtnis sind. Zunächst aber noch die Feststellung, dass wir uns im BUND Cuxhaven sehr viel mit Nachhaltigkeit befassen, hierzu gehören Bildung, Energie-, Wasser- und Lebensmittelversorgung, sowie die Erhaltung und Restitution der natürlichen Lebensräume mit ihren Lebensgemeinschaften. Regionale Vermarktung, Förderung einer umweltverträglichen Landwirtschaft, Moorrenaturierung und eine naturverträgliche Bewirtschaftung unserer Gewässer, Förderung der Bildungsarbeit in Schulen und anderen Bildungsträgern sind unsere derzeitigen Arbeitsfelder. Falls Interesse besteht, können Sie diese auch in unserem Rundbrief (per e-mail) verfolgen. Unser Anliegen ist es auch, Aktivitäten und Projekte zu vernetzen. Nun zu den Punkten: - Frühkundliche und schulische Umweltbildung Hier sehe ich nicht nur einen Langzeiteffekt. Unsere Erfahrungen zeigen, dass viele Anregungen und Erkenntnisse von der Veranstaltung direkt ins Elternhaus transportiert werden. Deshalb veranstalten wir Exkursionen mit Kindern, Jugendfeuerwehr-Einsätze und Ferienspaß-Aktionen. In Freiburg gibt es sogar eine Kinder-Uni.
- Energiesparnetzwerk Hier weise ich auf die Bürger-Aktivitäten in Oberndorf (Schule mit Bio-Meiler, Bürger-Solar-Anlage), Oldendorf und Otterndorf hin.
- Bezug von Ökostrom Mit der Naturstrom AG versuchen wir regenerative Energie als Bürger-Windpark (oder andere) zu installieren und den Strom ortsnah zu verteilen. Mein Hinweis im Nachgespräch bezüglich der Entwässerung der Marschen zielte darauf, die hier produzierte Energie auch den stromverbrauchenden Pumpenwerken zuzuführen. Die steigenden Kosten durch die künstliche Entwässerung stellen zunehmend einen Wirtschaftsfaktor für die Landwirtschaft dar. Zudem ist die dezentrale Nutzung von örtlichen Energieträgern bei weitem nicht ausgenutzt.
- Energiesparkurse in Schulen und Anreizsysteme zum Energiesparen Hier sollte in naturwissenschaftlichen Unterricht (Biologie/Chemie/Physikunterricht) das Thema Energie so behandelt werden, dass die Kinder Energiesammelmechanismen erkennen (Pflanzen-Photosynthese) und Größenordnungen beim Verbrauch (Wie viel beim Erhitzen von Wasser, Bewegen einer Masse (Autofahren um Brötchen zu holen), Umwandlungen von Energieträger zu Elektrizität und von dort zu Bewegungen von Massen, etc. verbraucht wird. Der Bezug zum eigenen täglichen Energieverbrauch sollte erlernt werden.
- Erhalt von Grünland und Moor als CO²-Senken Hier gehört der Wald oder besser allgemein die Gehölze dazu. Und hier können Gemeinden sehr aktiv werden über ihre Bauhöfe, indem das Gehölz auf öffentlichen Flächen, das Straßen- und Wegebegleitende Gehölz und die Anpflanzungen in Kompensationsmaßnahmen entsprechend bewirtschaftet werden. Holz ist der natürliche Speicher der Sonnenenergie. Mit Bewirtschaften ist gemeint, gezielt umweltverträgliche Entnahme von Holz und anschließende Anpflanzung geeigneter standorttypischer oder funktional begründeter Arten. Hier geht es um Energieeffektivität, Rohstofforientierung und Nutzen durch Tiere wie Fledermäuse, Vögel, Insekten (Bienen als Honigproduzent), dies setzt wiederum ein Fachwissen voraus. Grünlanderhaltung und Moorrestitution sind ein großes Thema in den Marschen beiderseits der Weser. Die Flächenkonkurrenz zur industriellen Landwirtschaft ist groß, sollte aber offensiv angesprochen werden. Grünland bindet übers Jahr große Mengen Kohlenstoff, solange es nicht auf Hochmoortorf steht, weil es hier gleichzeitig zur Torfzehrung beiträgt. Hochmoor-Restitution bezüglich Klimaschutzes bedeutet eine konsequente Installierung einer nicht-wurzelnden Torfmoos-Vegetation. Nur hier haben wir den jahrtausendlangen Kohlenstoffspeicher-Effekt. Auch dies sollte offensiv vertreten werden.
- Schaffung einer Klimaschutzmanagerstelle Entgegen Ihrer Ansicht bin ich der Meinung, diese sollte auf Gemeindeebene, nicht auf Kreisebene angesiedelt wein. Gerade hinsichtlich der Zusammenlegung von Gemeinden erreichen diese eine Flächengröße und Komplexität, dass dies nicht vom Kreis aus geleistet werden kann. Diese Ansicht meinerseits resultiert aus der Erfahrung mit Kompensationsmaßnahmen. Die Stelle könnte beim Bauhof installiert sein, also praxisnah. Der Bauhof wäre dann der Bereich, in dem auch die Gehölzpflege, Geräte- und Maschineneinsatz, Wartung und Koordination von Energieeinrichtungen, und von dem auch Bildungsarbeit an Objekten geleistet werden könnte (mit anderen Partnern zusammen). Wir fangen hiermit gerade in der Gemeinde Oberndorf an. Ein Beispiel ist die Beziehung Bauhof-Schule oder Schwimmbad: Der Bauhof liefert Holzprodukte für Energie und Bodenbefestigung, pflegt Schulhof und gemeindeeigene Biotope, die Schule nutzt Anpflanzungen für den Naturkunde-Unterricht. Hier lassen sich noch weitere Synergien und Eigenständigkeit für die unterste politische Gebietseinheit Gemeinde entwickeln.
Bemerkung: Bei allen diesen Prozessen mehr Verantwortung und Mitarbeit beim Bürger zu akquirieren ist es sehr schwer , vor allem über längere Zeit diesen mit einzubinden. Deshalb muss die Planungs- und Entwicklungsphase kurz sein und es müssen konkrete Schritte sichtbar sein. Bisher lief Ihr Projekt auf Ebene der Kommunen, jetzt haben Sie auch andere Partner einbezogen, zumindest auf der Mitteilungsebene, dies ist ein wichtiger Schritt gewesen. Nach Abgabe Ihres Endberichtes müsste es zu Betrachtungen in den einzelnen Gemeinden kommen, wo die bereits bestehenden Foren einbezogen werden sollten.
- Landwirtschaft Die Landwirtschaft wird derzeit vor allem als Rohstoffproduzent für Nahrungsmittel gesehen, sie ist damit vor allem Materiallieferant für die Industrie, die nach Veredlung und Verpackung die Nahrungsmittel weitergibt. Sie ist selbst von der bäuerlichen Betriebsstruktur in die industrielle übergewechselt, mit allen Kollateralschäden und Verlust des Selbstbewusstseins und der Eigenständigkeit sowie der Verantwortung dem Verbraucher und der Natur gegenüber. Landwirtschaft kann auch anders gesehen werden mit einem breiten Aufgabenbereich und einem wesentlichen Beitrag zur Stabilität nicht nur der Lebensmittelversorgung, sondern auch der Erhalt politischer Freiheiten. Die Verfügbarkeit von Wasser, (Luft), Boden, Lebensmittel und Energie, sind politische Kenngrößen, für den Erhalt von Freiheit (und Frieden) global und regional. Der „Arbeitskreis Landwirtschaft + Naturschutz im Elbe-Weser-Dreieck“ hat hierzu vor etwa zehn Jahren ein Positionspapier herausgegeben, das die Stellung der Landwirtschaft in unserer Gesellschaft darlegt. Dieses Papier ist Ihnen sicher nicht bekannt, dafür aber sicher das von „Brot für die Welt“, „eed“ und BUND 2009 herausgegebene Werk „Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt“. Beide enthalten Zielvorgaben für eine nachhaltige und zukunftsfähige Wirtschaft, in der der Mensch nicht als Verfügungsmasse gesehen wird, sondern als Mitglied einer zukunftsgestaltenden Gesellschaft. Als Beispiel für eine Änderung der Richtung in der Landwirtschaft ist unser Gebiet gut geeignet. Mit der derzeitigen Landwirtschaft, die ausgerichtet ist auf billige Massenproduktion einer Steppenbewirtschaftung in einer Landschaft, die vielfältige landschaftliche Grundlagen von einem Feuchtgebiet der Marschen und Moore hin zu trockenem Sandgebieten der Dünen und Eiszeitablagerungen hat mit einem enorm vielfältigen Produktionspotential vom Raufutterfresser, über Getreide, Beerenobst und Obst, hin zu Meeres- und Süßwassertiere. Zudem wächst hier ein breites Spektrum von Rohstoffen wie Gehölze, Röhrichte und es gibt Nährstoff- und Spurenelement-Angebot durch den Einfluss des Meeres. Hier wird also ein enormes Spektrum überhaupt nicht genutzt. Zu der Materialnutzung kommt noch der Wirtschaftszweig „Tourismus“ hinzu, der in weiten Teilen entweder brachliegt oder noch entwicklungsfähig bzw. –reformbedürftig ist (Cuxhaven: autofreie Strandkulisse, Verzahnung Dünen-Marsch-Strand-Watt) Sie werden mit in diese Richtung gehenden Vorschläge derzeit allerdings nicht viel Freunde gewinnen.
Bemerkung: Wir hatten nach Schluss der Veranstaltung noch ein Gespräch mit einem Landwirt (ich wusste allerdings nicht, dass er Milchbauer ist). Darin zeigte sich die immer noch verbreitete falsche Ansicht der hiesigen Intensiv-Landwirte, dass sie für die globale Versorgung verantwortlich seien und deshalb immer mehr Fläche und ertragsmaximierende Anbauverfahren benötigen. Dies ist angesichts der tatsächlichen Ernährungslage und der politischen Bedeutung regionaler Produktion nicht der Fall. Wir sehen bei uns eine enorme Lebensmittelverschwendung aufgrund der Vermarktungs- und Hygienemodalitäten und durch Export überschüssiger und und hier nicht vermarktungsfähiger Produkte eine zerstörende Wirkung auf die funktionierende, kleinbäuerliche Landwirtschaft vieler Staaten in Afrika und Asien. Lokal wirkt die industrielle Landwirtschaft zerstörend auf Landschaft und Sozialstruktur. Immer mehr Menschen werden von der Produktion der Lebensgrundlagen freigestellt und verlieren hierzu natürlich auch den Bezug. Dies gilt übrigens auch für Energie und Wasser. Über Ihr Projekt „Integriertes Klimaschutz Konzept“ können Sie eine gute Arbeit hinsichtlich der Darstellung des Bezuges „Mensch-Energie-Nahrung-Wasser“ leisten.
- Wasser, Abwasser Wasser ist für den Menschen an der Küste ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Das Wasser muss aus den eingedeichten Bereichen abgepumpt werden, was im Laufe der Zeit immer aufwändiger wird, da diese aus dem Einfluss von Ebbe und Flut genommenen Flächen nicht mir dem Meeresspiegelanstieg wachsen (aufsedimentieren). Die Siele in den Deichen führen das Wasser nicht mehr passiv bei Ebbe ab, sondern Pumpen müssen gegen einen immer größer werdenden Niveau-Unterschied das in immer extremer werdenden Regelabschnitten das Wasser aus der Landschaft bringen. Hierzu wird viel Energie und aufwändige Technik benötigt. Irgendwann lohnt sich der Aufwand nicht mehr, je stärker die Klimaveränderung, desto kürzer der Zeitraum für die rentable Nutzung der Marschen. Hier liegen bezüglich Ihres Klimakonzeptes also zwei Probleme vor: Wie bekomme ich kostendeckende Entwässerung hin durch ortsnahe preiswerte Energiebeschaffung? Und wie entzerre ich die Starkregenfälle in der Landschaft? (Durch Strukturen an den Sammelgräben). Eine weitere grundlegende Frage ist noch, ob wir eine Landhebung durch wieder weitergehenden Einfluss der Tide zulassen wollen. Dies ist in einigen Landschaftsteilen einfach möglich durch Öffnen der Altpriele (z. B. bei vielen neu eingedeichten Flächen an der Weser). Mit diesem Problem der künftigen Besiedlung der Marschen unter dem Zeichen der Meeresspiegelerhöhung haben sich Institutionen wie die GHSS schon beschäftigt.
Auf der Sitzung hatte ich die Abwasserentsorgung im ländlichen Raum angesprochen und dabei das Verhalten des Landkreises als Unterer Wasserbehörde kritisiert. Der Sachverhalt: Einzelhäuser und Gehöfte, die nicht einer zentralen Kanalisation angeschlossen sind, müssen ihre häuslichen Abwässer mit einer Kleinkläranlage reinigen und in die Entwässerung ableiten. Hier gibt es verschiedene naturnahe und technische Verfahren mit unterschiedlich hohem Energie- und Technologie-Einsatz. Naturnahe Verfahren sind Pflanzen-Klärbeete und Klärteiche, technische Anlagen sind solche mit Anwuchskörpern, die Energiezufuhr bedürfen. Derzeit sind die Landkreise dabei, die naturnahen Anlagen trotz voller Reinigungsleistung durch technische zu ersetzen. Ein erheblicher Kostenaufwand für die Betreiber, die dazu oftmals nicht über die Mittel verfügen. Aus meiner Sicht auch ein unverantwortlicher Vorgang hinsichtlich Klimaschutz und Lebensqualität im ländlichen Raum. Das Ihnen im Auftrag gegebene Integrierte Klimaschutz Konzept birgt eine Reihe von Möglichkeiten des Ansprechens von Handlungen und strukturellen Anpassungen, die Sie nicht verstreichen lassen sollten. Bezüglich eines Zieles kann man wohl besser sagen: der Weg ist das Ziel. Die Überreichung des Endberichtes sollte eher der Start in eine Klimabezogene Handlungsphase gesehen werden, denn als erledigte Aufgabe.
Wichtig scheint mit die Überführung des Konzeptes von der kommunalen Ebene auf die Bürgerebene, denn mit dem Konzept sollen ja vor allem die Lebensbedingungen des Bürgers den Folgen der Klimaveränderung angepasst werden. Es sollte also mehr ein Konzept von „unten“ nach „oben“ denn umgekehrt sein. Die Veranstaltung war gut. Für weitere Kommunikation stehen wir gern zur Verfügung, vor allem Klärung von Verständnisfragen.
Vielen Dank für Ihre ausführlichen und konstruktiven Ausführungen! Wir werden uns Mühe geben, so viel als möglich davon in das Projekt einfließen zu lassen. Ich stimme Ihnen zu, dass, auch wenn unsere Aufgabe als Gutachter mit der Abgabe des Endberichts bald beendet sein wird, die eigentliche Umsetzungsarbeit erst beginnt.
Ich habe Ihren Beitrag in den Forumsbereich Allgemeines verschoben.
Gutachter für die Erstellung des IKS Dipl. Landschaftsökologe